Besonderheiten des Maschinenbaus bei Anträgen zur steuerlichen Forschungszulage

Im Maschinenbau wurden seit der Einführung der Forschungszulage im Jahr 2020 bis 30.06.2024 bereit 1.690 Anträge gestellt. Damit wurde die steuerliche Forschungszulage in kürzester Zeit ein zentraler Baustein für die Finanzierung der Entwicklungskosten im Maschinenbau.

Der Maschinenbau unterscheidet sich jedoch in einigen Punkten wesentlich von anderen Industrien. Deshalb sollen nachfolgend die Anforderungen und Prüfkriterien der Bescheinigungsstelle diskutiert werden.

Der Maschinenbau als Branche gliedert sich in verschiedene Bereiche, die aufgrund der weitreichenden Spezialisierung jeweils eigene Schwerpunkte aufweisen. Durch einen hohen Grad an Automatisierung und den zunehmenden Einsatz von KI-Lösungen (z.B. in Predictive Maintenance – Anwendungen) kommt es vermehrt zu thematischen Überschneidungen mit dem Bereich IKT.

Häufig kommen im Maschinenbau bereits in frühen Projektphasen einer oder mehrere Prototypen zum Einsatz, um verschiedene Aspekte des angestrebten Produkts oder der neuartigen Produktionsanlage darstellen und untersuchen zu können.

Die AGVO und das Frascati-Handbuch grenzen FuE von nicht förderfähiger betrieblicher Innovation ab

Das FZulG verweist in § 2 Abs. 1 auf die im Sinne des Gesetzes begünstigten, d. h. bescheinigungsfähigen Forschungs- und Entwicklungsarten. Diese wiederum beruhen auf der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (AGVO) und ihren Definitionen für die Grundlagenforschung, industrielle Forschung und experimentelle Entwicklung. Für den Maschinenbau haben die industrielle Forschung und die experimentelle Entwicklung besondere Bedeutung:

  • Unter industrieller Forschung wird als „planmäßiges Forschen oder kritisches Erforschen zur Gewinnung neuer Kenntnisse und Fertigkeiten mit dem Ziel, neue Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen zu entwickeln oder wesentliche Verbesserungen bei bestehenden Produkten, Verfahren oder Dienstleistungen herbeizuführen“ beschrieben (Art. 2 Abs. 85 AGVO).
  • Im Fall der experimentellen Entwicklung spricht die AGVO von „Erwerb, Kombination, Gestaltung und Nutzung vorhandener wissenschaftlicher, technischer, wirtschaftlicher und sonstiger einschlägiger Kenntnisse und Fertigkeiten mit dem Ziel, neue oder verbesserte Produkte, Verfahren oder Dienstleistungen zu entwickeln“ (Art. 2 Abs. 86 AGVO)

Der Maschinenbau muss, wie alle anderen Industrien, die Frascati-Kriterien für Forschung und Entwicklung erfüllen:

  • Es muss auf die Gewinnung neuer Erkenntnisse abzielen (neuartig), ein wissenschaftlicher und /oder technischer Fortschritt muss erzielt werden
  • es muss originär sein (schöpferisch), keine Routinetätigkeiten
  • einem Plan folgen und budgetierbar sein (systematisch),
  • es müssen Unsicherheiten in Bezug auf das Endergebnis bestehen (ungewiss), die im Extremfall zum Scheitern führen könnten
  • und es Möglichkeiten der Reproduzierbarkeit vorhanden sein (übertragbar und/oder reproduzierbar).

Vorhaben sind der Forschung und Entwicklung zuzuordnen, wenn die Erreichung des Projektziels mit wissenschaftlichen bzw. technischen Unwägbarkeiten / Risiken im Rahmen der Umsetzung verbunden ist, wodurch die Zielerreichung des Vorhabens gefährdet wird oder die Umsetzung – im Extremfall – scheitern kann.

Welche Aktivitäten sind bescheinigungsfähig oder nicht bescheinigungsfähig

Bescheinigungsfähig sind insbesondere die Konzeption, Planung neuer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen (vgl. Frascati-Handbuch)

  • Prototypenentwicklung, -bau und -test
  • Konstruktion und Bau von Pilot- und Versuchsanlagen für
    • Aufstellung neuer Merkmale über bestehende Produkte hinaus (neue Mehrwerte)
    • Entwurf von Spezialausrüstungen und -strukturen
  • Durch die Realisierung der Idee wird das Spektrum der derzeit im Unternehmen/am Markt verfügbaren Lösungen erweitert
  • Mit Abschluss des FuE-Prozesses wird/wurde ein wissenschaftlicher und /oder technischer Fortschritt verbunden und es wird eine wissenschaftliche Unsicherheit beseitigt

Häufig beinhalten Vorhaben aus dem Bereich Maschinenbau auch Anteile, die der Versuchsproduktion oder der Vorserienentwicklung zuzuordnen sind. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick in welcher Situation diese als förderfähig anerkannte werden:

Nicht bescheinigungsfähig sind:

  • Tätigkeiten nach dem Testbetrieb und der finalen Evaluierung eines Prototyps,
  • Vorhaben, in denen lediglich ein bekanntes oder zugekauftes System oder Betriebsmittel zum reibungslosen Funktionieren gebracht wird,
  • Installation und Inbetriebnahme von Maschinen und Ausrüstungen direkt nach Anleitung des Herstellers, ohne jegliche Modifikation oder Anpassung an spezifische Betriebsbedingungen,
  • Arbeiten zur Zertifizierung bestehender Maschinen oder Ausrüstungen,
  • Einführung und Konfiguration von marktgängiger Software oder Hardware für Maschinensteuerungen,
  • Routinearbeiten im Rahmen des Maschinenbaus, wie regelmäßige Wartung, Reparaturen und Standardprüfungen.

Förderfähige FuE-Phasen im Maschinenbau

Vorserienentwicklung

Betrachtungsgegenstand der Vorserienentwicklung ist das zu entwickelnde Produkt selbst. Hier ist zu bewerten, ob die Arbeiten zur Änderung/Anpassung des Produktes noch als FuE anzusehen sind oder nicht. Die bescheinigungsfähige FuE-Phase einer Produktentwicklung endet mit dem Test eines Prototypen. Typische Tätigkeiten in der Phase der Vorserienentwicklung, die nicht bescheinigungsfähig sind, sind z. B.:

  • Fertigung einer Nullserie zur Vorbereitung einer Serienproduktion
  • Produktionsvorbereitung,
  • Serialisierung,
  • Bau von Vorführgeräten und Demonstratoren für Vermarktungszwecke
  • Arbeiten zum Erreichen der Marktreife eines Produktes
  • Tätigkeiten zur Markteinführung.

Versuchsproduktion

Betrachtungsgegenstand der Versuchsproduktion ist der neue Produktionsprozess zur Herstellung eines Produkts. Hier ist zu bewerten, ob die Arbeiten zur Änderung/Anpassung des Produktionsprozesses als FuE anzusehen sind oder nicht. Ist die Erprobung eines Prototyps erfolgreich verlaufen, setzt die Phase des Produktionsanlaufs ein. Typische Tätigkeiten dieser Phase, die nicht bescheinigungsfähig sind, sind z. B.:

  • Änderungen im Herstellungsprozess für das zu entwickelnde Produkt, die für unterschiedliche Produktionsroutinen erforderlich sind, um eben dieses Produkt in unterschiedlicher Konfiguration oder Ausprägung zu erstellen
  • Schulungen 
  • Einsatz neuer Maschinen
  • Tätigkeiten mit dem wesentlichen Ziel, Produktionsparameter für die spätere Produktion zu ermitteln, die Feinabstimmung von Bauteilen vorzunehmen, Fertigungs- und Montageprozesse sowie Qualitätsmaßnahmen.

Produktdesign

Design kann als Teil eines FuE-Projekts bescheinigungsfähig sein, wenn die Tätigkeiten darauf abzielen, technische Spezifikationen oder sonstige Nutzungs- oder Funktionsmerkmale für neue Produkte und Verfahren zu planen und zu entwerfen. Ein derartiges FuE-Produktdesign findet üblicherweise zu Beginn des FuE-Vorhabens statt und dient dessen näherer Spezifikation. Generell nicht bescheinigungsfähig sind Design-Tätigkeiten, die bei einem bestehenden Produkt lediglich dessen Vermarktung zum Ziel haben.

Sondermaschinenbau

Einen Bereich im Maschinenbau stellen die Entwicklung und der Bau von Sondermaschinen für spezielle Einsatzgebiete in meist geringer Stückzahl dar. Somit ist i. d. R. jede Sondermaschine ein Unikat und in dieser Form bisher noch nicht vorhanden. Die Tatsache, dass es sich dabei um eine genau in dieser Form noch nie gebaute Maschine handelt, ist per se jedoch nicht ausreichend, um bescheinigungsfähig zu sein. Die Realisierung eines Prototyps für den Sondermaschinenbau muss nach denselben Kriterien geprüft werden, wie eine Entwicklung für den allgemeinen Maschinenbau.

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Helmut Haimerl, Leiter Steinbeis Beratungszentrum

Helmut Haimerl

Helmut Haimerl ist Geschäftsführer der Steinbeis Technologie- und Innovationsberatung GmbH. Er gilt als einer der führenden Experten für Technologieförderung in Deutschland. Sein Wissen in Theorie und Praxis macht ihn zu einem gefragten Gastautor. Ein besonderes Augenmerk legt er auf das systematische Vorgehen, um den innovativen Kern der Projekte im Dialog mit den Kunden herauszuarbeiten. Sein Ziel ist die Optimierung von Förderanträgen und das Ausschöpfen von Gestaltungsmöglichkeiten.